OPERNWELT
Titus Engel
Fast scheint es, als wäre sein (Vor-)Name Programm. Denn der gebürtige Schweizer wäre gewiss entsetzt, würde man ihn einen Titanen des Taktstocks nennen. Seine Erscheinung auf dem Podium, im Graben und abseits davon erinnert weit mehr an jenen milden (mozartischen) Kaiser, der noch seinen Attentätern verzeiht. Und genau so sieht sich auch Titus Engel selbst: nicht als Dominator, sondern als Primus inter Pares. Das demokratische Musizieren hat er früh erlernt, und auch den gepflegten Diskurs weiß der ehe-malige Student der Philosophie und Musikwissenschaft zu schätzen. Daraus sowie aus einer vertieften Lektüre des Notentextes gewinnt er seine geschliffenen Interpretationen, sei es im Falle von Philip Glass' Musiktheater «Einstein on the Beach» in Genf, sei es beim «Boris Godunow»-Projekt in Stuttgart, das Modest Mussorgsyks Monumentaloper mit sechs Miniaturdramen des russischen Komponisten Sergej Newski verklammerte. Das besitzt bei diesem Dirigenten in beiden Fällen nichts Überschäumendes, Aufrührerisches, Glänzendes, es führt den Hörer vielmehr zur Essenz des jeweiligen Werks und noch ein bisschen weiter. Nicht zufällig ist einer der Lieblingssätze von Titus Engel ein Bonmot der französischen Komponistin Nadia Boulanger: «Man soll niemals zögern, die Musik zu analysieren, denn je mehr man sie analysiert, desto mehr vertieft sich das Geheimnis.»